Die Rohstoff-Woche - KW 14/2010: Rohöl ein Auslaufmodell?
Doch lassen wir diese Besonderheit einmal außen vor. Wenden wir uns nur der Angebots-Nachfrage-Problematik zu. Es mag zwar sein, dass große Ölfördernationen wie Saudi-Arabien oder Kuwait den Rohölpreis kurzfristig durch die Erhöhung der Fördermenge unter Druck bringen können, aber vor allem eben in diesen alteingesessenen Förderländern gehen die Vorräte (wenn auch auf hohem Niveau) zurück. Das heißt also, dass die Förderkapazität nicht beliebig hochgeschraubt werden kann. Bis vor wenigen Jahren haben diese Länder ihr Öl quasi verschenkt. Erst allmählich machte sich die Erkenntnis breit, dass man zukunftsorientiert mit seinen Ölreserven umgehen, also möglichst viel Profit rausschlagen muss. Das Beispiel Dubai, das trotz Ölreichtums so gut wie pleite ist, schreckte auch den achso lockeren Scheich auf.
Auf der anderen Seite hilft aus Anlegersicht ein ach so zurückhaltendes Förderverhalten oder ein Angebotsdefizit nicht viel, wenn die Nachfrager-Seite schwach ist. Ein solches Szenario haben wir gerade hinter uns gebracht. Die weltweite Banken- und Wirtschaftskrise schränkte vor allem den industriellen Sektor stark ein, was sich auch negativ auf die Nachfrage nach Rohöl auswirkte. Doch allmählich erholt sich dieser Sektor wieder.
Ein weiterer, entscheidender Punkt kommt jedoch aus einer ganz anderen Ecke. Und zwar aus dem privaten Sektor. Die beiden bevölkerungsreichsten Länder der Erde, China und Indien entdecken so langsam so etwas wie Wohlstand. Das macht sich unter anderem im Agrarsektor bemerkbar, wo immer mehr Produkte nachgefragt werden. Dies hat vor allem mit dem gestiegenen Fleischkonsum in diesen Ländern, zu denen man auch noch Brasilien und Indonesien hinzuzählen könnte, zu tun.
Doch zurück zum Rohöl. Was galt im Europa der 1960er und 1960er Jahre als das Symbol für steigenden Wohlstand? Richtig, das eigene Auto. Ein Chinese denkt in einem ähnlichen Schema. Mobilität ist gefragt, gerade in einem Riesenreich wie dem der Mitte. Nun lebten im Europa der 1950er und 1960er Jahre vielleicht 120 Millionen Menschen, die sich ein Auto leisten wollten. Im China der 2010er Jahre leben schätzungsweise 600 Millionen, also etwa 5-mal so viel. Damals, vor 50 Jahren begann der Erdöl-Boom so richtig. Doch was passiert in den nächsten paar Jahren. Damit Sie, liebe Leser sich einmal einen Eindruck von dem, was da noch kommen mag, machen können, hier mal ein paar eindrucksvolle Zahlen:
In Peking sind aktuell 3,65 Millionen Fahrzeuge zugelassen. An jedem einzelnen Tag kommen über 1.500 weitere hinzu. In Gesamt-China wurden allein im Februar 2010 knapp 720.000 neue Fahrzeuge zugelassen. Zum Vergleich: In Deutschland wurden im gesamten vierten Quartal 2009 etwa 100.000 Fahrzeuge mehr, nämlich 820.000 Fahrzeuge zugelassen. Grob gerechnet kann man also sagen, dass in China pro Tag etwa dreimal so viele Neufahrzeuge zugelassen werden, als in Deutschland. 1,8 Millionen Fahrzeuge wurden allein seit Jahresbeginn in China neu zugelassen. In Deutschland waren es in 2008 im gesamten Jahr 3,09 Millionen.
Doch kommen wir noch einmal zurück zu China. Rechnen Sie doch mal allein die chinesischen Neuzulassungen auf ein Jahr hoch und stellen Sie sich vor, alle würden einfach mal zur Tankstelle fahren und 40 Liter Benzin tanken. Stellen Sie sich dann noch vor, dass diese neu zugelassenen Fahrzeuge ja nur ein Bruchteil aller aktuell in China zugelassenen Fahrzeuge ist. Stellen Sie sich dann noch vor, dass auch in Ländern wie Indien, Indonesien und Brasilien immer mehr Menschen am weltweiten Wohlstand teilnehmen und sich ein Auto leisten wollen und können. Aber nicht ein elektrisches, wo allein die unausgereifte und anfällige Lithium-Batterie schon 8.000 USD kostet. Nein, in China, Indien oder Indonesien darf das gesamte Auto nicht mehr als 8.000 USD kosten. Stellen Sie sich all das einmal vor und bedenken Sie auch, dass 50% eines jeden geförderten Barrel an Rohöl mittlerweile in die Benzin-Produktion fließt, Länder wie China etc. aber gerade erst am Anfang der großen Mobilisierung stehen, dann werden auch Sie feststellen, dass Rohöl auf absehbare Zeit keineswegs ein Auslaufmodell sein kann.
Doch nicht nur billige Mobilität ist immer mehr gefragt, auch billige Energie wird immer mehr zum Politikum. Gerade auch deshalb gab China nun grünes Licht für den Neubau von 28 weiteren Nuklear-Reaktoren mit jeweils 1.000 Megawatt. Dies verkündete die Zentralregierung in dieser Woche in Peking. Jeder dieser Reaktoren wird 2,1 Milliarden USD kosten. 20 der 28 Reaktoren befinden sich bereits seit diesem Jahr im Bau. Insgesamt will China bis 2020 70 Gigawatt an Leistung mittels der Kernenergie generieren. 28 Gigawatt sollen die genannten 28 neuen Reaktoren liefern, 9 Gigawatt kommen bereits aus den 11 aktuell laufenden Reaktoren. Summa summarum fehlen also auf die geplanten 70 Gigawatt noch 33 Gigawatt oder anders ausgedrückt 33 weitere Kernreaktoren bis zum Jahr 2020. Übrigens: 2005 hatte man noch mit “nur“ 40 Gigawatt bis 2020 geplant. Die Kernkraftspirale Chinas dreht sich also immer schneller.
Auch die deutsche Regierung unter Führung der Christdemokraten erwägt zumindest eine Verlängerung der Laufzeiten der aktuell laufenden Reaktoren. Bis zu 28 Jahre mehr könnten die bestehenden Reaktoren somit laufen, was gleichbedeutend mit der Nutzung der Kernenergie bis zum Jahr 2050 wäre. Eine Expertenkommission prüft dabei aktuell, ob und in wie weit eine Laufzeitverlängerung vor allem aus Sicherheitsaspekten vertretbar ist.
Das Zitat der Woche:
“Ich frage mich oft, ob es nützlicher ist, während der Börsenzeit zur Börse oder zum Angeln zu gehen. An der Börse kann man zwar verschiedene Tipps erfahren und dann das Gegenteil davon machen, beim Angeln aber kann man in Ruhe überlegen, was man besser nicht machen sollte.“ - André (Bertholomew) Kostolany (* 9. Februar 1906 in Budapest; † 14. September 1999 in Paris) war ein als Börsen- und Finanzexperte und als Spekulant auftretender Journalist, Schriftsteller und Entertainer ungarischer Herkunft.
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© Tim Roedel
Die Rohstoff-Woche
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