Die Rohstoff-Woche - KW 46: Warum in die Ferne schweifen?
Genau dies kündigte China in dieser Woche an. Mittels Zahlungen von 586 Mrd. USD in die - seit den Olympischen Spielen von Peking – ins Stocken geratene Wirtschaft und in die Sozialsysteme will man versuchen, die ersten Ausläufer der aus Richtung USA und Europa drohenden Rezession abzumildern und das jährliche Wirtschaftswachstum wieder auf über 10% zu bringen. Im dritten Quartal 2008 sank dieses auf 9%, gegenüber 11,9% im letzten Jahr. Welche Folgen diese Maßnahme der immerhin viertgrößten Wirtschaftsnation für den Bereich der Rohstoffe haben wird, läßt sich nur schwer einschätzen. Ein Großteil des Geldes wird laut Ankündigung in infrastrukturelle Maßnahmen fließen, wovon wohl am meisten Stahl und Baumaterialien wie Kies und Sand profitieren könnten - und die jeweils notwendigen Vor-, Bei- und Endprodukte.
Neben der in der Rohstoff-Woche 33/2008 erwähnten Energiekrise in Südafrika bröckelt die Produktion bereits seit mehreren Jahren an einer zweiten Goldfront. Vor etwa 10 Jahren wurden in Simbabwe noch jährlich etwa 30 Tonnen des gelben Metalls aus der Erde geholt. Damit lag Simbabwe unter den Top-15-Fördernationen beim Gold weltweit und auf dem afrikanischen Kontinent gar auf Platz 3, hinter Südafrika und Ghana. Aktuell liegt die Goldförderung in Simbabwe bei nur noch 3 Tonnen jährlich - und auch die Suche nach Gold, also die Exploration wurde bis auf ein Minimum zurückgefahren. Woran liegt’s, fragt man sich nun sicherlich.
Simbabwe versuchte seit jeher einen gewissen Profit aus dem Goldabbau im eigenen Land - für die eigene Bevölkerung - zu erzielen, indem man den Export von Gold kategorisch verbot und das Edelmetall stattdessen an die eigene Zentralbank verkauft werden musste. Die Regierung wollte mit dieser Maßnahme sicherstellen, dass ein bestimmter Prozentsatz der Goldförderung dem Staatshaushalt zugute kommt. Die Regelung sah die Ablieferung des Goldes an die Zentralbank vor und die Ausbezahlung eines vorher festgelegten Wertes innerhalb von 4 Tagen an die Goldminenbetreiber.
Karte: Minenprojekte in Simbabwe
Seit einiger Zeit lässt sich die Zentralbank allerdings immer öfter immer länger Zeit mit der Ausbezahlung des Gegenwertes für das in Simbabwe geförderte Gold. Aktuell ist die Staatsbank von Simbabwe mit über 30 Mio. USD in Rückstand. Die Folgen: Die Minenbetreiber haben keine Planungssicherheit mehr, sie können die Löhne an die Bergarbeiter nicht mehr bezahlen und immer mehrUnternehmen müssen deswegen ihre Minen schließen. Die Selbstzerstörung Simbabwes macht sich also nicht nur im Bereich der Landwirtschaft, sondern auch im Rohstoff-Sektor bemerkbar.
Es soll hier nicht unterstellt werden, dass diese beschriebene Krise fundamentale Auswirkungen auf den Goldmarkt hat oder haben wird, jedoch zeigt dieses Beispiel, dass sich eine zweifelsohne sinnvolle und effiziente Idee mittels Korruption innerhalb kurzer Zeit in Luft auflösen und zu ungeahnten Folgen führen kann, nämlich der Einstellung der Exploration und der Produktion von Bodenschätzen, deren Erlöse für die Bevölkerung (über-)lebenswichtig wäre.
Eine weitere Stümperei der KfW (nach der Zahlung von mehreren hundert Mio. Euro an Lehman Brothers einen Tag vor deren Pleite) kam ebenfalls in dieser Woche ans Tageslicht. So hat die deutsche KfW Bankengruppe nach eigenen Einschätzungen mehrere Millionen Euro im Zuge der isländischen Bankenpleite verloren. Insgesamt war die KfW mit 288 Mio. Euro in Island engagiert. Zur Förderung des Mittelstandes wurde allein an die drei größten isländischen Banken ein Darlehen in Höhe von 150 Mio. Euro gezahlt.
Die KfW geht jedoch davon aus, dass sie einen Teil der Gelder zurückbekommen wird, erklärte zumindest ein Sprecher der KfW in Frankfurt. Das Kreditinstitut habe bereits vor Gericht auf die Rückzahlung geklagt. Auf Rückzahlung ihrer Einlagen warten die Kunden der Kaupthing Edge Bank bis dato ebenfalls noch. Der isländische Staat als Hüter des isländischen Einlagensicherungsfonds stellt sich bislang quer und will lediglich die Einlagen der isländischen Sparer zurückerstatten.
Von der Entwicklung in Island profitiert aktuell ein Bereich, der normalerweise sehr verschnupft auf negative konjunkturelle Veränderungen reagiert: die Tourismuswirtschaft und damit verbunden die isländischen Fluggesellschaften Icelandair und Iceland Express, die bisher keinerlei Auswirkungen der Finanzkrise verspüren. Ganz im Gegenteil: die Isländische Krone hat in diesem Jahr bereits über 70 Prozent ihres Wertes eingebüßt. Die Preise vor Ort sind daher für Touristen so günstig wie nie zuvor. Und das kurbelt natürlich das Tourismusgeschäft in, auf und für Island gewaltig an.
Was das Ganze nun mit dem Rohstoffbereich zu tun hat? - Nun, zugegebenermaßen nur am Rande, allerdings kann man einen günstigen Urlaub in Island durchaus mit einer Art Horizont-Erweiterung in Sachen alternativer Energien verbinden. Im Falle von Island wären das zum Einen die geothermische Energiewirtschaft und zum Anderen steht in Island eine nagelneue Aluminiumhütte von Alcoa. Direkt am Meer, mitten in der Natur, ein Besuch des Werkes lohnt sich auf alle Fälle und ein gewisser Wissenszuwachs im Bereich Energie und Aluminium hat noch keinem geschadet.
Dabei werden nun einige Leser aufschreien und meinen: warum in die Ferne schweifen? Sie hätten zugegebenermaßen nicht ganz Unrecht, denn auch vor Ihrer Haustüre gäbe es sicherlich ähnliche Geschichten wie die folgende zu berichten:
Mit großem Gerät sucht die “Deutsche Rohstoff AG“ in Unterlangau im Norden von Oberviechtach (mittelbayerischer Raum) professionell nach Gold. Seit einer Woche graben sich dort die Schaufeln in den Boden. Geologen nehmen Proben, die in Goslar und in Vancouver untersucht werden sollen.
Schon vor 700 Jahren hatten dort Goldgräber nach dem Edelmetall gesucht. Laut Medienberichten will die Rohstoff AG das nun überprüfen. Proben der Bohrungen werden an Labors geschickt. Rentabel wäre der Abbau bei etwa zwei bis drei Gramm Gold pro Tonne Erdreich. Ob es sich lohnt, steht im Dezember fest.
Bei diesem Beispiel handelt es sich übrigens nicht um einen Einzelfall. So wird aktuell im Allgäu nach Öl gesucht, im Freistaat Sachsen wurden bereits einige neue Minenlizenzen erteilt und nördlich von Wien wird sogar schon Öl in kleinerem Maßstab gefördert, während auf der anderen Seite ergiebige Kohlevorkommen in der Lausitz einfach geflutet und damit für zukünftige Förder-Vorhaben unbrauchbar gemacht werden.
Fortschritte zeigen sich in jüngster Zeit auch rund um die Querfurter Mulde / Bad Bibra nahe Roßleben in Thüringen, wo aktuell eine Ausschreibung zur Wiederaufnahme der Produktion in der einst sehr ergiebigen Kalisalz-Zeche Roßleben läuft, an der sich unter anderem auch die K+S Gruppe beteiligt. K+S gehört weltweit zur Spitzengruppe der Anbieter von Spezial- und Standarddüngemitteln, von Pflanzenpflege- sowie Salzprodukten und ist dementsprechend auch weltweit aktiv.
Bergbau in Deutschland (PDF)
So scheint man auch im deutschsprachigen Raum allmählich zu erkennen, dass man vermehrt eigene Ressourcen freigeben und abbauen lassen sollte anstatt sich dauerhaft von der Lieferung außereuropäischer Energieressourcen abhängig zu machen und das Risiko eingehen, irgendwann bei Kerzenschein dick vermummt der verpassten Chance, Europa dauerhaft von wichtigen Rohstoffimporten unabhängig zu machen, nachzutrauern.
Zu guter Letzt erreicht uns noch eine Eilmeldung von Barclays Capital, die die Anzahl ihrer Rohstoff-Experten entgegen dem allgemeinen Trend um ein Drittel von 225 auf 300 erhöht haben. Zur Begründung hieß es, dass man an den langfristigen Aufwärtstrend der Rohstoffmärkte glaube. Weiterhin sei man der Ansicht, dass sich viele Rohstoffpreise auf Grund bevorstehender Minen- und Produktionsschließungen mittel- bis langfristig wieder kräftig erholen würden. Genau diese Aussage deckt sich auch mit der Redaktionsmeinung der Rohstoff-Woche, die wir bereits mehrfach Kund getan haben. Und sie deckt sich auch mit der alten Weisheit, antizyklisch zu handeln, nämlich dann zu kaufen, wenn alle anderen nach -50% und mehr noch verkaufen.
© Tim Roedel
Die Rohstoff-Woche
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