Die Rohstoff-Woche - KW 44: Weder Fisch noch Fleisch
Bereits vor mehreren Wochen kündigten wir hier in der Rohstoff-Woche an, dass Ungarn kurz vor dem Staatsbankrott stünde. In dieser Woche wurde nun bekannt, dass das vom Staatsbankrott bedrohte Ungarn 20 Mrd. Euro bekommt, um seinen Zahlungsverpflichtungen weiter nachkommen zu können. Dies teilten der Internationale Währungsfonds (IWF), die Europäische Union (EU) und die Weltbank zu Wochenmitte mit. Des Weiteren stehen auch Island, Serbien, Pakistan und die Ukraine vor einem Staatsbankrott und werden in den nächsten Wochen wohl einen ähnlichen Kredit in Anspruch nehmen müssen. Island borgte sich bereits in der letzten Woche 3,8 Mrd. Euro von Großbritannien. Erste Zusagen gab der IWF bereits an Island (1,6 Mrd. Euro und an die Ukraine (13 Mrd. Euro). Wie lang dieser Rattenschwanz noch wird ist aktuell schwer einzuschätzen.
North American Palladium kündigte in dieser Woche an, dass man die firmeneigene Lac des Iles Mine (LDI) in Thunder Bay, Ontario/Kanada bis auf Weiteres schließen werde. Als Grund hierfür nannte das Management den anhaltenden Verfall des Palladiumpreises in den letzten Wochen. North American Palladium produziert in Lac des Iles etwa 4% des weltweiten Palladium-Angebots. Damit bestätigt sich unsere frühere Einschätzung, dass auf Grund niedriger Rohstoffpreise unrentabel werdende Projekte eingemottet und das Angebot sukzessive abgebaut wird. Letztendlich wird das Angebot wieder unter die Nachfrage abfallen und den jeweiligen Rohstoffpreis unterstützen.
Ein ähnliches Beispiel erreichte die Kupferwelt ebenfalls in dieser Woche: Der weltgrößte Kupferproduzenten Chile kündigte an, dass das Land in diesem Jahr mit 5,45 Millionen Tonnen 3 Prozent weniger liefern werde als bis dato erwartet. Damit kürzte der Chile zum zweiten Mal innerhalb von nur 4 Monaten seine Prognose. Als Ursache hierfür wurden nicht nur der markante Preisrückgang, sondern auch Finanzierungsprobleme bei anstehenden Minenprojekten genannt.
Die deutschen Autobauer können einem schon leid tun! Jahrelang die Umweltziele der EU ignoriert, wenig bis gar nichts in die Entwicklung von Elektro- und Wasserstoffmotoren oder anderer umweltfreundlicher Technologien gesteckt, dagegen fette Gewinne mit Spritfressern (auf Grund von Pakten mit der Öl-Lobby) eingefahren und nun will die EU einen dafür nicht einmal mit Hilfszahlungen belohnen, wie gemein! Die Automobilindustrie kommt in diesen Tagen mindestens so arrogant daher wie die Vorstände nahezu aller namhaften Banken.
Jahrelang wurde nach eigenem Gutdünken gehandelt und die Zeche, nämlich das Problem, dass die Parkplätze in Wolfsburg, Rüsselsheim und Sindelfingen immer voller werden, die sollen nun wieder die anderen zahlen. Dass man sich das als deutscher Autobauer ohne Weiteres erlauben kann ist klar, denn in Deutschland hängt etwa ein Siebtel aller Arbeitsplätze von der Automobilindustrie ab. Die Regierung ist also gut erpressbar. Wenn nicht bald Zahlungen in die Kasse fließen, dann ist eben jeder der etwa 5 Mio. Arbeitsplätze die direkt oder indirekt an VW, Daimler oder Opel dranhängen gefährdet - natürlich abzüglich der Vorstandsposten.
Bei allem Unverständnis bieten sich jedoch gerade aus diesem paradoxen Szenario heraus gewisse Chancen für mehrere Metalle, allen voran Platin und Palladium, sowie die Energiewirtschaft (Wasserstoffverbrennungsmotor: Wasserstoff ist keine Primärenergiequelle, sondern ein künstlich zu erzeugender Energieträger, zu seiner Herstellung ist Energie erforderlich) und auch für die Produzenten von Aluminiumoxid, Berylliumoxid oder auch Siliciumcarbid (für Keramiken, die in die Brennstoffzelle eingehen). Dies natürlich nur für den Fall, dass eventuelle Hilfszahlungen an die Automobilwirtschaft sinnvoll für die Erforschung und die baldige Marktreife von neuartigen Antriebstechnologien eingesetzt werden.
Ob die politische Führungsebene innerhalb der EU jedoch so weit denkt bleibt fraglich. Aktuell, wo die Welt noch immer am Abgrund steht, wo arrogante und unfähige Bankvorstände zu feige sind, Hilfspakete ihrer Regierungen anzunehmen (bereits an diesem Wochenende wollen sich die größten deutschen Banken (Commerzbank, Deutsche Bank, Postbank und Dresdner Bank) nun doch gemeinsam Finanzspritzen besorgen um nicht als jeweils erster Fehler der Vergangenheit eingestehen zu müssen), gerade da sonnt sich die große Koalition in den aktuellen Arbeitsmarktdaten, die einen Rückgang auf 2,99 Mio. Arbeitslose im Oktober vermelden und beide Regierungsparteien schreiben sich diesen “Erfolg“ jeweils auf ihre eigenen Fahnen. Da wurde wohlwissentlich, dass diese Zahl bis Ende 2009 wieder mit einer 4 vor dem Komma dastehen wird schnell noch mittels aller möglichen statistischen Tricks die Zahl unter 3 Mio. gedrückt um die Bevölkerung irgendwie in Sicherheit zu wiegen. Es bleibt nur die Frage, ob unsere Politiker uns lediglich für dumm verkaufen wollen oder ob sie selbst zu dumm sind um die wahren Umstände zu erkennen.
Ein weiteres Sorgenkind bleibt in dieser Woche der Ölpreis, der trotz Zinssenkung der FED und steigender Aktienkurse bislang nicht wieder in die Gänge zu kommen scheint. Schlechte Wirtschaftsstimmung in Europa und hohe Konsumrückgänge in den USA lassen abermals das Rezessionsgespenst umgehen. Der Ölpreis sank binnen eines Monats um etwa 35% auf zuletzt etwa 65 USD je Barrel. Die OPEC kündigte zwar eine Drosselung der täglichen Fördermengen an, jedoch wird sich diese erst ab Mitte November bemerkbar machen. Einige geplante Investitionsprojekte - vornehmlich US-amerikanischer Ölproduzenten - sollen auf Grund der anhaltenden Finanzkrise und des niedrigen Ölpreises zurückgestellt werden. Viele alternative Herstellungsverfahren, sind nicht mehr profitabel.
So benötigt beispielsweise die Gewinnung von Kraftstoffen aus Kohle einen Ölpreis jenseits der 80 USD. Inwieweit die Nachfrage nach Öl und Erdgas in den Wintermonaten zunimmt ist aktuell schwierig einzuschätzen. Auf der einen Seite verlocken niedrige Ölpreise viele Verbraucher dazu ihre Heizöltanks vollzutanken, auf der anderen Seite sind sehr viele Tanks noch vor der exorbitanten Ölpreiserhöhung im Frühjahr 2008 vollgefüllt worden und auf Grund des milden Sommers noch immer nahezu voll. Auch hier gilt der Grundsatz: Time will tell.
Was bleibt nun von dieser Woche aus rohstofftechnischer Sicht in Erinnerung? Nun ja, wohl nur die Erkenntnis, dass man eigentlich momentan nicht so recht weiß wohin die Reise gehen wird. Die Bankenwelt steht noch immer auf wackligen Beinen und zieht so langsam die Realwirtschaft mit in den Abwärtssog. Wie weit hinunter dieser Sog jedoch reicht ist nicht bekannt. Womit wir wieder am Anfang stehen.
Zur kleinen Aufheiterung gibt es speziell für alle Freunde von Pottasche ein kurzes Video eines wirklich außerordentlichen Soges, der eine gesamte Mine binnen weniger Stunden unter Wasser setzte und damit die Stilllegung derselben besiegelte. Und auch hier zeigt sich einmal wieder das Prinzip der kleinen Ursache mit großer Wirkung: Der Sog
Die nächste Ausgabe der Rohstoff-Woche erscheint wegen der am 07. Und 08. November in München stattfindenden Internationalen Edelmetall- & Rohstoffmesse erst am Sonntag, den 09. November 2008.
Der Chefredakteur der Rohstoff-Woche steht Ihnen während der Edelmetallmesse an Stand 2.48 und/oder Stand 1.19 Rede und Antwort.
© Tim Roedel
Die Rohstoff-Woche
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